Artikelbild zum Artikel 'Eine Symbiose aus Tradition und Moderne'

Eine Symbiose aus Tradition und Moderne

In der Vergangenheit bis heute ist Chiang Mai eine multikulturell gemischte Stadt mit einer großen Vielfalt an ethnischen Gruppen, Glaubensrichtungen, Traditionen, Architektur und Kunst gewesen. Diese verschiedenen Einflüsse machen Chiang Mai zur sogenannten „Living City'', was sich auch im gesamten Bild der Stadt wiederfindet.

Chiang Mai galt schon früher als wichtiger Knotenpunkt für Karawanen und Händler aus  Birma, China und Laos. Diese Vielfalt an kulturellen Hintergründen bildete die einzigartige Kultur von Chiang Mai. Die Techniken der Handwerksstile haben sich in der Architektur, Kunst, Musik und Kulinarik immer weiter entwickelt und an die Gegenwart angepasst, ohne dabei den Bezug zur Tradition zu verlieren.

Schon in unserer ersten Workation-Woche im Popup Office durften wir an einer Tradition teilhaben, die uns die Handwerkskunst und die Liebe zum Detail zeigte: Loi Khratong. Das Lichterfest kombiniert in Chiang Mai mittlerweile zwei Feste in einem, Yi Peng speziell aus dem Norden, bei dem Lichterlaternen in den Himmel gelassen werden, und Loi Krathong, bei dem Lichter ins Wasser gelassen werden.

Einmal im Jahr werden für drei Tage wunderschöne, handgefertigte Lichterschiffchen, die sogenannten Khratongs, aufs Wasser gelassen mit dem Wunsch, alles Schlechte vom Fluss wegspülen zu lassen. Jedes einzelne Schiffchen wird liebevoll aus einer Bananenstaude mit Blumen geschmückt und wird durch Räucherstäbchen und eine Kerze in der Mitte beleuchtet. Diese Schiffchen schmücken an diesem Tag das gesamte Stadtbild und lassen somit jeden an dieser schönen Tradition teilhaben.

Kontrastreiche "Living City" of Crafts and Folk Art

So vielfältig und bunt wie die Krathongs selbst, so fühlt sich Chiang Mai als Popup Office Destination 3 für uns auch insgesamt an. Divers, bunt und voll guter Energie. An einem Tag besucht man die wunderschönen traditionellen Tempel, am nächsten bestellt man sich über die Superapp Grab bei einem super fancy Café einen Iced Latte.

Food Märkte, handgemachte Produkte, Tempel, Cafés zieren die Straßen der Stadt und zeigen die Vielfältigkeit und den Mix aus verschiedensten Bereichen: moderner Lebensweise und der lokalen Kultur, Traditionen und dem Handwerk.

Irgendwo findet man auch immer einen coolen Straßenmarkt, auf dem man rumschlendern kann. Von leckerem Essen über Kleidung bis hin zu wunderschönen handgemachten Kleinigkeiten, ist wirklich für jeden etwas dabei. Für uns auch jetzt noch schwer, nicht alles, was gefällt, einzukaufen (die Koffer werden dadurch nämlich nicht leichter).

Lässt man seinen Blick nach dem “Work” in Workation über die Auslagen der Straßenmärkte schweifen, fallen einem neben filigranem Silberschmuck und Keramik auch immer wieder die Batik- und Webstoffe auf, aus denen Taschen, Hemden, Hosen, Kleider und mehr gefertigt werden. Erkennbar sind hier die eher indigenen Einflüsse und Stile. Viele der Handwerksprodukte, wie auch die gewebten und bestickten Stoffe, sind inspiriert oder stammen sogar direkt von den Hilltribes, den Bergstämmen des Nordens.

Heute leben die Bergstämme hauptsächlich von landwirtschaftlichen Erzeugnissen wie Früchten und Kaffee und mittlerweile auch vom Tourismus und ihrer Handwerkskunst. Es ist schön zu sehen, dass diese Stoffe und Co. mittlerweile stark vertreten sind und dadurch stärkere Akzeptanz und Integration im Alltag fördert. Denn lange waren die Bergstämme gesellschaftlich deutlich schlechter gestellt als andere Thailänder. Bildungs- und Förderprogramme ermöglichen den jungen Menschen der Bergstämme einen leichteren Zugang zum Rest der Gesellschaft, was über die nächsten Jahre hoffentlich noch verstärkt wird. Aber auch junge Thai-Designer helfen dabei, die Kultur und die Handwerkskunst der Bergstämme relevant und beliebt zu machen, indem sie Muster und Themen aufgreifen, neu interpretieren und sogar bei den Bergstämmen anfertigen lassen.

Auch wenn die Bergstämme als Randgruppe gelten, erkennt man die Einflüsse im Alltag noch an weiteren Stellen. Vor allem die überall sichtbaren Schreine vor jedem Grundstück sind Teil des Glaubens der Lanna-Bergstämme. Diese Geisterhäuser “San Phra Phum” sind Schreine für die Naturgeister (Phra Phum), die unsere Welt bewohnen und Teil des täglichen Lebens sind. Und mittlerweile findet sich dieser Brauch nicht nur im Norden, sondern auch im Süden Thailands wieder. Bevor ein Grundstück bebaut wird, muss für die Geister, die das Land eigentlich bewohnen, ein neues, prachtvolles Zuhause errichtet werden, um sie zu beschwichtigen. Hinzu kommen Dekoration und die tägliche Pflege des Schreins mit Opfergaben in Form von Früchten, Essen und Getränken. Im Gegenzug beschützt der Geist das Grundstück vor Unglück und negativer Energie. Jedes noch so moderne Gebäude wird von einem liebevoll dekorierten Mini-Tempel begleitet und spiegelt damit den Kontrast aus alten Traditionen und dem modernen Leben wundervoll wider, der sich durch das Straßenbild und das Leben hier in Chiang Mai zieht.

Denn wilde Kontraste finden sich tatsächlich an jeder Kreuzung: kleine, unscheinbare Läden mit rostigen Gittern und Holzbeschlägen reihen sich neben neue Cafés im Industrial oder auch Japandi-Stil. Dieser harte Bruch stört aber nicht, sondern macht das Herumstreunen und Entdecken in Chiang Mai gerade aufregend. An jeder Ecke findet man Dinge, die überraschen und begeistern.

Nach dem Motto “Sabai, sabai”, frei übersetzt “passt schon” oder “alles ist cool”, ist es eben total in Ordnung, wenn Dinge nicht zueinander passen.

“sabai” umschreibt auch sehr gut die Mentalität und Kultur der Thailänder, vor allem der Nord-Thailänder(Lanna). Während der Süden bereits stärker von westlichen Einflüssen geprägt wurde und im Vergleich hektischer wirkt, ist der Norden noch etwas ursprünglicher, naturverbundener und entspannter geblieben.

“Sabai” kann mit entspannt, zufrieden oder gemütlich übersetzt werden, sowie auch (körperliches) Wohlbefinden, Ruhe, Glück, Zufriedenheit und innere Ruhe. “Sabai” ist also ein Zustand von Ausgeglichenheit und so erscheinen die (Nord-)Thailänder auch in ihrem Alltag: entspannt und ausgeglichen. Selten sieht man gestresste Thailänder, sondern Menschen, die in aller Ruhe ihren Aufgaben nachkommen. Eile und Stress sind nicht erstrebenswert, sondern zeugen eher davon, dass das Gleichgewicht verloren und außer Kontrolle ist. Solange die Arbeit gut erledigt wird, ist es auch in Ordnung, sich zu entspannen.

An der ein oder anderen Stelle wundert man sich als ordentlicher, “korrekter”, durchstrukturierter und auf Zeit bedachte Deutsche, wenn man als Gruppe in einem Café nur ein Getränk nach dem anderen serviert bekommt statt effizient alle in einem Rutsch oder das umweltbewusste Café oder Geschäft Plastik-Strohhalme oder Plastiktüten anbietet. Aber auch an dieser Stelle gilt “sabai, sabai”.

Workation-Unterschied Umweltbewusstsein

Was das Umweltbewusstsein angeht, hat Thailand einen großen Sprung gemacht. Während vor ein paar Jahren die Umwelt keine Rolle spielte und (Plastik-)Müll überall vertreten war, geht der Trend nun (endlich) klar in Richtung “Öko”.

Der Idealzustand ist noch lange nicht erreicht – vor allem bei älteren Thailändern wird es noch eine Weile dauern –  aber die jüngeren Generationen und der Einfluss des “grünen” Tourismus geben bereits die richtige Richtung vor. Entscheidungen wie die Schließung der Maya Bay auf Koh Phi Phi zeigen, dass Nachhaltigkeitsthemen wichtiger geworden sind: Um der Natur und insbesondere den Korallen Zeit zur Erholung von den Touristen-Anstürmen der vorherigen Jahre zu geben, ist die “The Beach”-Bucht 4 Jahre geschlossen gewesen und wird auch in Zukunft sehr wahrscheinlich immer wieder für ein paar Monate zur Erhaltung geschlossen werden.

Der weitere Einfluss der jüngeren Generation und die Veränderungen werden vor allem in den nächsten 5-10 Jahren sehr spannend zu beobachten sein. Durch den wachsenden Bildungsstandard und Zugriff auf internationale Informationsquellen, ändern sich natürlicherweise auch das Bewusstsein und die Denkweise der gesamten Bevölkerung. Auch inwieweit sich Rollenbilder ändern werden, bleibt abzuwarten. Hier zeigen sich aktuell noch die extremen Kontraste innerhalb der traditionellen Denkweise: Obwohl thailändischen Frauen sehr viel zugetraut wird, sie harte Arbeit leisten und eine Stütze sind “wie die Hinterbeine eines Elefanten”, lässt sich klar erkennen, dass Führungspositionen oder angesehene Berufe (z.B. in Werbespots), noch sehr sehr selten von Frauen besetzt sind. Noch immer sind für Frauen Attribute wie Fleiß und Geduld erstrebenswert und bis vor kurzem durften Frauen, wie Lehrerinnen, im Berufsalltag keine Hosen tragen, sondern mussten in Röcken oder Kleidern erscheinen.

Tradition und Kultur im sozialen Umgang

Traditionelles Verhalten gegenüber der Frau zeigen viele thailändische Männer auch im Alltag auf charmante Gentleman-Weise, was sehr herausstechend ist: Schwere Gegenstände werden der Frau fast immer abgenommen und Türen geöffnet. Allerdings gilt das nicht als Affront gegen die Kraft oder Kompetenz der Frau (denn wie gesagt, Thai-Frauen leisten sehr viel harte Arbeit), sondern als zuvorkommende Geste, die respektvoll gemeint ist.

Aber auch allgemein fällt jeder Person auf, die das Land das erste Mal besucht, dass das Verhalten der Thailänder und das Miteinander extrem respektvoll sind: Einander begrüßen, Danke sagen und sich zu entschuldigen gehören zu Gepflogenheiten und sind die ersten Begriffe, die es wert sind, auf thailändisch zu lernen. Hier spürt man klar den Einfluss der buddhistischen Lehren, die mehr als eine Religion, sondern Teil des Lebens sind: Sei ein guter Mensch und versuche, keinem anderen etwas Böses zu tun. Ein Einstellung, die uns im Popup Office wohl lange in positiver Erinnerung bleiben wird.

In manchen Situationen ist dieser Respekt vor anderen Personen, wie z.B. Arbeitskollegen, für uns ungewohnt. Denn während wir (zumindest wir bei 21TORR) ein eher freundschaftliches, fast schon inniges, Verhalten untereinander pflegen und eine Berührung am Arm oder sogar mal eine Umarmung normal sind, ist das Berühren in Thailand noch eher selten. Das zeigt sich sogar bei Paaren in der Öffentlichkeit. Während Thailand eines der liberalsten Länder der Welt ist, was Inklusion und LGBTQ-Themen angeht und Paare in jeder Konstellation Händchen-haltend spazieren dürfen, ist es nicht angebracht, wenn sich Paare in der Öffentlichkeit umarmen oder sogar küssen. Aber auch das kann sich in den nächsten Jahren mit den neuen Generationen ändern. Es bleibt abzuwarten, wie viele der traditionellen Weisen die Menschen in ihren 20ern und jünger im Alltag leben und weitergeben werden, wie viele der wundervollen Gebräuche und Sitten sie aufrechterhalten und welche sie ablegen werden.

Es ist nicht einfach aus alten Traditionen und Denkweisen herauszubrechen und es braucht Zeit, Geduld und vor allem Menschen, die etwas verändern und voranbringen wollen.

Transformationsprozesse im Berufsalltag

Wir sehen solche Transformationsprozesse ja auch in unserem Berufsalltag. Schauen wir auf unsere eigene Arbeitskultur, wird auch da schon deutlich, dass es schwer ist und auch nicht immer ratsam, alles sofort umzuwälzen und anders und neu zu machen. Ob es um Mitarbeiterkultur, Arbeitsprozesse oder digitale Transformation geht, gesunde Veränderungen wie auch gesundes Wachstum brauchen Zeit und können nur wachsen und gedeihen, wenn aus der Mitte heraus der (Mindset-)Samen wächst und gedeiht – nämlich in den Menschen.

Ganz klar gilt für ein Land wie Thailand, an der Kluft zwischen Tradition und Moderne, wie auch für Unternehmen und den Menschen als eigenen kleinen Kosmos: Veränderung kommt Stück für Stück. Neues kann unangenehm sein und abschreckend, aber es ist wichtig, es zuzulassen.

Manchmal müssen Extreme auch miteinander koexistieren und können trotzdem genau die richtige Veränderung bewirken. Vor allem sind Traditionen nicht immer schlecht. Gerade im Hinblick auf die thailändische Kultur sehen wir im Popup Office, dass Tradition viele wundervolle Dinge mit sich bringt: Respekt, Achtsamkeit, Handwerk, Ruhe u.v.m.

Deswegen ist bei jedem Change-Prozess wichtig, im Hinterkopf zu behalten: Das Gute behalten, und das nicht so Gute Stück für Stück ablösen. Dinge zulassen, auch wenn sie nicht perfekt sind. Vielfältigkeit und Kontraste bereichern eine Stadt, ein Land, ein Unternehmen, den Menschen. Und mit ein wenig “sabai, sabai”, bleiben wir in der Balance und “alles ist cool”.